Emsdettener Venn: der Hindenburg-Damm

Geschichte der Birken am `Hindenburgdamm`

„die Zeitzeugen werden alt“

Ludwig Klasing macht sich Gedanken über die Bäume an der Allee ins Emsdettener Venn.

Hier seine spannenden Einlassungen zur Historie des Venns:

EMSDETTEN.

Der Weg ins Venn: eine Allee wechselt ihren Charakter, um für die Zukunft zu bestehen!

„Ich brauch Tapetenwechsel, sprach die Birke, und macht´ sich in der Dämmerung auf den Weg“, ein alter Schlager von Hildegard Knef, den sie 1970 sang, könnte aktuell die Geschichte des so genannten „Hindenburgdammes“ deutlich machen, denn viele der alten Bäume sagen „Ade“.

Es war die Zeit Hindenburgs, nach dem I. Weltkrieg, als man in Emsdetten begann, das weitläufige Hochmoor trocken zu legten, um weitere landwirtschaftliche Flächen am Stadtrand zu entwickeln und den Torf als Brennstoff für die ärmere Bevölkerung zu nutzen.

Schon früh erkannten Naturschützer den ökologischen Wert des Areals und erreichten, dass 1941 das Hochmoor bzw. das, was noch davon übrig war, unter Naturschutz gestellt wurde. Der Kernbereich des Naturschutzgebietes umfasst heute etwa 100 ha und mit dem Bruchwald und den Feuchtwiesen innerhalb des Umringweges kommt man auf ca. 340 ha. Aus heutiger Sicht war der Naturschutz eine Glücksidee in letzter Minute. Jeder Besucher, ob Mensch oder Tier, freut sich heute über den vitalen Naturraum vor der Haustür, schätzt die große Artenvielfalt, die es nebenan im landwirtschaftlich genutzten Raum so nicht mehr gibt und den virtuosen Gesang der Vögel oder die weite Sicht und die Ruhe im Venn.

Will man ins Hochmoor, geht’s entlang des Hindenburgdamms, der als markante Birkenallee ein besonderes Wahrzeichen des Venns ist. Sobald sich der Frühnebel verzieht, die Sonne leuchtet oder es regnet oder schneit, bietet der alte, historische Weg ins Venn zu jeder Jahreszeit ein Bildmotiv voller Ausdruckskraft und Schönheit. Ein beliebtes Postkartenmotiv.

Es ist die Birke! In früheren Zeiten diente sie als Hofschmuck bei Schützenfesten und Hochzeiten oder war auch als Brennholzlieferant beliebt. Insbesondere nach dem II. Weltkrieg wurden aus der Not geboren, aus dem Birkenholz Holzschuhe gemacht. Aber auch die Vogelwelt liebt die Birke.

Der Bestand an wilden Birkhühner war hier anfangs des letzten Jahrhunderts noch außergewöhnlich hoch. Bis zu 20 balzende Hähne konnte 1930 der Ornithologe Dr. Reichling aus Münster dort beobachten. Bis der letzte Wildbestand am Kriegsende ganz vernichtet wurde. Heute finden Zeisig und Finken in den Birken ihre Brutplätze, sogar das Blaukehlchen ist zurück, was Ludwig Klasing dort beobachten konnte (s. Bild). Für unzählige Insektenarten bilden die alten Bäume ein wahres Eldorado, denn allein über 100 verschiedene Schmetterlingsarten mit ihren Raupen (so die Expertenmeinung) finden in den Birken ihr Futter und ihren Brut- und Lebensraum.

Aber der Zahn der Zeit nagt permanent an den alten Birken, die vor über 100 Jahren dort als robuste Wegmarken auch als Schutz für die Überlandreisenden gepflanzt wurden. In guten Zeiten kann die Birke über 160 Jahre alt werden. Der Klimawandel stellt neue Herausforderungen, die bedenklich machen. So gab es vor einigen Jahren einige heftige Sturmereignisse, die Lücken in der Allee entstehen ließen und nach den zwei viel zu trockenen und heißen Sommern mussten soeben rund 31 der alten Bäume gefällt werde. Zwar böte auch das Totholz einen veritablen Lebensraum, aber hier spricht allein die Verkehrssicherungspflicht. Noch haben die meisten der alten Bäume nicht ihr höchstes Lebensalter erreicht, dennoch werden sie zunehmend anfälliger und scheinen den veränderten Klimabedingungen weniger gewappnet zu sein.

Gut wäre es, wenn der Weg ins Venn auch in der Zukunft seinen Charakter bewahren könnte. Deswegen sollten neue Birken die Lücken füllen, so die Forderung, die Ludwig Klasing im Namen des Naturschutzes stellt. Denn exotische Arten wären hier fehl am Platze und junge, heimische Gehölze können sich den geänderten Bedingungen ideal anpassen.

Hinweis: das Foto aus dem Jahre 1936 zeigt Großvater Bernhard Klasing mit zwei seiner Enkelkinder auf dem Weg ins Venn. Ludwig Klasing würde sich freuen, wenn Leser weitere historische Bilder aus dem Venn liefern könnten, um damit die authentische Situationen aus der Vergangenheit dokumentieren zu können. (Kontakt: L. Klasing, Tel. Nr. 02572-4188)

 

Emsdetten, im November 2019 Friedel Hesseling

erschienen in der EV, Emsdettener Volkszeitung vom 23.12.2019

 

 

Bilder vom Weg ins Moor: von Ludwig Klasing und F. Hesseling (2019)

Fotos vom Hindenburgdamm:

1936 Bernhard Klasing mit zwei seiner Enkelkinder

2019 aktuelle Bilder – heutiger Zustand

2007 – 2011 historische Bilder in den verschiedenen Jahreszeiten

Frühjahr / Sommer / Herbst und Winter

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Berichte, Emsdettener Venn veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.