„Tragkraft“, die Energie aus dem Moor

„Tragkraft“, die Energie aus dem Moor

Theater, Tanz, Objekte und Bilder aus dem Moor, eine künstlerische Performance von und mit Simone Lamski

– leider wegen der Corona-Krise ausgefallen-

 

EMSDETTEN. Simone Lamski hadert nicht mit dem Schicksal, obwohl die Corona Pandemie soeben ihr Gesamtkunstwerk unvollendet in die Kulissen zurückgeschoben hat. „Tragkraft“ oder auf Holländisch „Draagkracht“ ist der Titel einer ausgefallenen Show rund ums Moor, die am 21.März in der Galerie Münsterland Premiere haben sollte.

Der 53jährigen Künstlerin ist ein überspannendes Gesamtkunstwerk gelungen,

das die Grenzen von Theater, Tanz und Show mit eindrucksvollen Rauminstallationen, künstlerischen Tragobjekten und Naturfotos mit großformatigen Tier Malereien verbindet und den Rahmen einer klassischen Ausstellung sprengt.

Ohne Moos nix los“, ist eine alte Weisheit, aber Geld ist nicht alles und es bleibt die Frage: wie viel kann unsere Natur vertragen? Es sollten neue Denkweisen zum Tragen kommen, die mehr als nur den Ertrag im Geldbeutel oder auf dem Teller wertschätzen. Der menschliche Energieeinsatz könnte in unserer Zukunft dem globalen Naturerhalt dienen, um den Bestand aller Lebensformen zu sichern. Renaturierung durch Wiedervernässung und die Paludikultur sind dabei faszinierende Schritte, so die Intention der Kunst rund um Tragkraft, wie sie Simone Lamski propagieren will.

Golddurchwirkte Kugeln hängen von der Decke der Galerie und beleuchten kleine Moorflächen.

Das Emsdettener Venn im Morgennebel, Rebhühner und Birkhuhn neben allerlei bunten Rohsängern, Spinnen, Fröschen und Eidechsen auf großformatigen Bildern fangen den Blick ein, während Soundcollagen den Raum in eine sphärische Atmosphäre versetzt.

Es geht um die tragenden Elemente der Natur. Wasser, Boden, Feuer und Kohlenstoff und den Einfluss des Menschen auf den Lauf der Evolution. Die Kräfte der Erde sind untrennbar miteinander verbunden und jeder Energieveränderung verändert das fragile System. Nur der Mensch hat mit der Ausbeutung der Ressourcen in das System eingegriffen und damit natürliche Grenzen überschritten. Die Trockenlegung der Moore zur Energiegewinnung hob das schwarze Gold“, einen kostbarer Schatz, dessen Wert damit aber zerstört wurde. Denn der wahre Energiewert kann nur zum Tragen kommen, wenn es nass an seinem Ursprungsort bleibt, denn seine kraftvollste

Aufgabe ist es Wasser und Kohlenstoff im Boden zu binden. Und ohne die wasserspeichernde Erdschicht werden im Moor Treibhausgase an die Atmosphäre abgegeben und der Kohlenstoffkreislauf kommt durcheinander. Diese machtvolle Klimawirksamkeit alarmiert und sollte den Menschen aktiviert, so Simone Lamski.

Mit einer witzigen, hintersinnigen Tanzperformance geht der Wegweiser durch die Historie des Moores. Die Tänzerinnen und Tänzer werden zur Energie aus dem Moor.

Mit ihrer Choreografie will Simone Lamski die historischen Wechselwirkungen der Elemente tänzerisch zeigen. Mit fünf Schauspielern bringt sie die Atmosphäre zum vibrieren. Petra Liebl betört dabei als ambivalente „Carbonia“, Willy Ahrens fließt als „Aquarius“, Rebecca Krüger entflammt als „Torf“, Adrian Heinemann bringt als „Peat“ die Luft in Wallung und „Oxi“ alias Oliver Trell, pflückt den Sauerstoff und immer ist Alles im Werden und Vergehen.

Die vier Laientänzer mit Tsutomu Ozeki werden als menschliche Moorpflanzen zu temperaturresistenten Partypeople. Stefanie Ensch fängt Tropfen, Doris Leißing und Christoph Gehlhar verwandeln sich in Sonnentau und Charlotte Schmengler weht im Wind.

Eine herausragende Rolle spielen auch die sieben verschiedenen Tragwerke der niederländischen Künstlerin Els Mondt und die einfühlsame Niederländische Poesie wird von Trijntje Gosker beigesteuert.

Die Performance will zudem Auftakt für die Gemeinschaftsausstellung zum Thema Energie und Moor sein, die die Galerie in eine feuchte Moorlandschaft verwandelt. Und die bildenden Künstler zeigen ihre Ideen von einem lebendigen Moor voller Zuversicht und Kritik.

Mit seiner Wildlife-Art lockt der Maler Bernd Pöppelmann den Betrachter in die Welt der Tiere,

Thomas Leveringhaus (focus & feeling) schafft neue Perspektiven mit seinen raumgreifenden Installationen. Der Naturfotograf Ludwig Klasing setzt den Fokus auf Makroperspektive im Feuchtland und mit seiner Wanderausstellung informiert das Moor Centrum Greifswald wissenschaftlich orientiert über Klimawirksamkeit und Paludikultur. Und als besonderes Außenevent entführt Frank Müller von den Emsdettener Vennfüchsen wissbegierige Besucher ins Emsdettener Venn.

Entstanden ist das Konzept im Rahmen von „Tandem“, einer Euregio Verbindung von niederländischen und deutschen Künstlern. Der Fokus lag bei dem Projekt Tragkraft / Draagkracht“, auf den Energiewandel der Moore in unserer Kulturregion. Hier zeigt sich Moorenergie auf bewegte Art! Die Premiere fand in den Niederlanden im Oktober 2019 rege Resonanz.

Das künstlerische Tandem Simone Lamski und Els Mondt begegnet sich in der gemeinsamen Begeisterung für „das Moor“ mit seinem besonderen Energiepotential und seiner enormen Klimawirksamkeit. Schon die gemeinsame Recherche im Moor, ums Moor und ums Moor herum befruchtet die Gestaltung von tragbaren Kunst-Objekten und „moorigem“ Tanztheater. In einem lebendigen Austausch regen dabei die Tragobjekte zur Text- und Choreografiearbeit an und vertieften wiederum die Inszenierungsideen zur Gestaltung der tänzerischen Performance.

Am Ende der Show gibt es ein fulminantes Ende. Mensch und Moor sind tot, aber die Verbindung von Wasser und Kohlenstoff setzt neues Leben in Gang und der Kreislauf beginnt von Neuem.

Leider ist die Performance mit der großen Moorausstellung zunächst abgesagt worden. Die Künstlerin hofft, dass eine Neuauflage im Herbst möglich sein wird.

24.03.2020 Friedel Hesseling

Bilder vom Tandem

Simone Lamski und Els Mondt

Ensemble

Moorlandschaft

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