„Biodiversität und Artenschutz“

„Die Uhr tickt“: Vortrag und Diskussion mit Dr. Peter Schwartze

am 08.Mai 2019 hatten die Umweltverbände BUND & NABU in die Stadtbibliothek eingeladen. Lesen Sie hier ein Bericht vom Tage:

EMSDETTEN.

Die Brisanz beim aktuellen Thema „Artensterben“ ist, dass es nicht einen Schuldigen gibt, sondern alle Menschen mit ihrem Handeln gleichzeitig Verursacher und Betroffene sind“, erklärte Dr. Peter Schwartze bei seinem Plädoyer für die Rettung der biologischen Vielfalt. „Die Zeit drängt und es müsse sofort mehr getan werden, um die biologische Grundlage unseres Lebens auch für die zukünftigen Generationen zu sichern, denn die Parameter stehen auf Sturm“, so die Botschaft des Naturexperten, der aus seiner täglichen Praxis berichtete.

Dr. Peter Schwartze ist der fachliche Leiter der Biologischen Station im Kreis Steinfurt und in dieser Funktion ist er seit vielen Jahren unterwegs, um in erster Linie die Naturschutzgebiete im Kreisgebiet zu betreuen und in ihrem Bestand zu sichern. Von der Fläche des Kreises sind 7,25% Naturschutzgebiete, und darin werden lediglich 50% durch den Vertragsnaturschutz extensiv bewirtschaftet. Und nur hier konnten die Bestände von Pflanzen, die nährstoffarme Böden lieben und von Bekassinen, Uferschnepfen und großem Brachvogel, um nur einige Vogelarten zu nennen, gesichert werden, wohingegen die Arten, die auf der Roten Liste verzeichnet sind, im landwirtschaftlich genutzten Raum inzwischen gänzlich verschwunden sind.

In seinem mit wissenschaftlichen Zahlen belegten Vortrag lag die Brisanz meist in den Nebensätzen. Das wirtschaftliche Handeln der Menschen, einhergehend mit der Industrialisierung und Zersiedlung der Landschaft, den Prioritäten von Konsum und Verkehr, haben auch bei uns vor der Haustür die natürlichen Lebensräume für viele Pflanzen und Tierarten vernichtet. „Die Naturschutzgebiete allein als museale Rückzugsorte zu erhalten, für Arten, die früher überall hier in unserer Landschaft heimisch waren, kann nicht zukunftsfähig sei. Ein sofortiges politisches Umsteuern in allen Bereichen ist opportun“, so seine Intention.

Mit seinem Fachvortrag, zu dem die Umweltverbände BUND und NABU am Mittwochabend in die Stadtbibliothek eingeladen hatten, konnte der Referent Dr. Peter Schwartze zu einer intensiven Diskussion anregen. Im vollbesetzten Auditorium wurden insbesondere die Probleme der landwirtschaftlichen Nutzung diskutiert. „Schon die Anlage von Blühstreifen oder Feldvogelinseln sind mit zuviel Bürokratie verbunden, so dass selbst engagierte Landwirte vor den Detailfragen kapitulieren“, war als kritischer Diskussionsbeitrag eines Landwirtes zu hören.

Konsum und Massentierhaltung, die teilweise überbordende Bürokratisierung, die falschen oder unzulänglichen Vertragsoptionen im Vertragsnaturschutz sowie die wirtschaftlichen Einflüsse der Verbände, der Banken und Berater standen besonders im Fokus der engagiert vorgetragenen Redebeiträge aus dem Auditorium.

Aber was nützt es, wenn die jungen Meisen verhungern müssen, weil sie nicht genügend Insekten finden, die an blühenden Wegen, in den Wiesen und Gärten ihre angestammt Heimat haben?“

Das Aufstellen von Bienenkästen auf dem Bach eines Bürohauses wäre sicher ein guter Ansatz, wenn das gesamte Dach vorher begrünt worden wäre. Mit einer aktuellen Schlagzeile aus der letzten Woche eröffnete der Naturexperte im zweiten Teil seiner Ausführungen den Maßnahmenkatalog, zum Erhalt der Artenvielfalt. „Jeder kann und muss mit anpacken“, denn viele kleine Maßnahmen vor der eigen Tür könnten viel erreichen, wenn gleichzeitig Druck auf die Politik gemacht wird, wie dies mit dem Volksentscheid in Bayern gelungen sei.

Es müssen insbesondere Rückzugsräume für Pflanzen und Tiere geschaffen werden, die als Nahrungs- und Fortpflanzungsräume ausreichend groß und vernetzt sind. Dies kann schon vor der eigenen Haustür, im Garten oder an der Baumscheibe am Straßenrand als naturbelassene blühende Trittsteine neue Zeichen setzen. Dem persönlichen Engagement sind dabei keine Grenzen gesetzt, wenn gleichzeitig das Konsumverhalten den Erfordernissen des nachhaltigen Handelns angepasst werde. „Die Zeit drängt und wir sollten wissen, worum es in Zukunft geht“, so seine Mahnung, die er auch als persönlichen Weckruf verstanden wissen wollte.

09.05.2019 Friedel Hesseling

 

Bilder vom Tage:

Dr. Peter Schwartze

im gut besuchen Auditorium der Stadtbibliothek

Hinweis:

Mit 196 Vertragsparteien ist die Biodiversitätskonvention eines der erfolgreichsten internationalen Vertragswerke der UN, das 1992 während der Rio-Konferenz unterzeichnet wurde.

Die Artenvielfalt in der Natur ist bedroht. Die Wissenschaft weist schon seit geraumer Zeit auf das bedrohliche Insektensterben hin. Schnelles Handeln ist geboten und jeder muss dabei mitmachen!

Bis zu einer Million Tier- und Pflanzenarten sind aufgrund menschlichen Handelns vom Aussterben bedroht, heißt es im Vorbericht des Weltbiodiversitätsrats, der aktuell in Paris tagt.

Die Bilanz ist erschreckend, traurig und dokumentiert auf drastische Weise, wie der Mensch daran mitwirkt, seine eigenen Lebensgrundlagen zu vernichten.

Wenn tatsächlich, wie es der UN-Bericht prophezeit, innerhalb weniger Jahrzehnte eine Million der geschätzt acht Millionen Arten der Erde verschwinden sollte, dann ist dies das Ergebnis einer auf Profit Streben statt auf Wohlergehen ausgerichteten Weltwirtschaft.

Um der Katastrophe in letzter Minute zu entgehen, muss sofort drastisch umgesteuert werden! Dies insbesondere neben der Verkehrspolitik zu allererst in der Agrarpolitik. Sie muss ökologischer werden, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, unser aller und das Leben der uns folgenden Generation aufs Spiel zu setzen.

Wenn eine allein auf Spitzenertrag ausgerichtete Agrarwirtschaft dafür sorgt, wie es in dem Bericht heißt, dass ein Viertel der dort zuvor gesichteten Arten verschwinden wird, ist das als Zukunftsperspektive Gesellschaft untragbar und fordert sofortiges Handeln.

Referent: Dr. Peter Schwartze, Fachlicher Leiter, Biologische Station Kreis Steinfurt

Veranstalter: Die Umweltverbände in Emsdetten BUND und NABU

in Zusammenarbeit mit der Stadtbibliothek und der Biologischen Station

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Berichte veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.